Anno 1344 wurde die Region um Torgau und Belgern stark von Dieben und Räubern heimgesucht. Diese sollen ihren Aufenthalt hauptsächlich zu Triestewitz(1) gehabt haben. Von der Schenke des Dorfes aus konnten sie unbemerkt über unterirdische Gänge in das Reuther Holz gelangen. Daraufhin ersuchte der Torgauer Stadtrat die Räte aus Oschatz und Grimma um personelle Hilfeleistungen zum Angriff auf die Diebesbanden und somit Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit.
Um jenen Räubereien ein Ende zu setzen, schlossen der Rat und die Bürger zu Torgau, Oschatz und Grimma einen Beistandspakt, „worin sie sich verbindlich machten, sich gegenseitig mit zehn Schützen und zwanzig geharnischten Männern“, zu Ross oder auf Wagen, auf Kosten der jeweiligen Stadt, „einen Tag und eine Nacht beyzustehen, um den Unwesen jener Unholde zum Besten des Landes zu steuern.“(2)
Am 11. April 1344 stellten deshalb Grimma und Oschatz an Torgau einen Versicherungsschein aus, der als erster Beleg einer Oschatzer Bürgerwehr zu gelten hat. Dieser legte neben der Anzahl der bereitzustellenden Schützen auch die Übernahme der Verpflegungskosten, zu Lasten der Kämmereien der jeweils beistehenden Städte, fest.
Die Urkunde konnte bisher im Original nicht ermittelt werden. Weder im Hauptstaatsarchiv Dresden, noch in den Stadtarchiven Torgau, Oschatz oder Grimma ist sie überliefert. Bisher wurde der Vertrag unter anderem im Codex diplomaticus Saxoniae regiae (II. Hauptteil, Bd. 15, S. 20, Nr. 25) und Johann Christian Hasches Magazin der Sächsischen Geschichte aufs Jahr 1786 (III. Teil. Dresden 1786, S. 31 f.) veröffentlicht, jedoch teilweise fehlerhaft.
Deshalb folgt an dieser Stelle eine Transliteration der einzigen überlieferten mittelalterlichen Vertragsabschrift des Grimmaer Exemplars aus dem Kopialbuch der Stadt Torgau, die als authentischer schriftlicher Zeitzeuge zu gelten hat.(3)
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(1) Triestewitz liegt nordwestlich der Gemeinde Arzberg im heutigen Landkreis Nordsachsen und ist Ortsteil derselben.
(2) Carl Samuel Hoffmann: Einige Vorfälle älterer Zeit, die Oschatz und Grimma zugleich betreffen. Eine historische Monographie, Oschatz 1813, Pkt. 5.
(3) Stadtarchiv Torgau, Copialbuch der Stadt Torgau, U 193, S. 70 v. f.
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Vorschreibung der Stete
Grymme unnde Osschatz
das sie der Stadt Torgaw
zcehen schutzen unnd zcwa-
zcig zcw Roß ader wagen
in noten halden sollen
Wir Rat lewte Scheppenn unnd
Burgere gemeyne zw Grymme
Bekennenn in dieszem offen brieve
das wir denn Burgernn zw Torgaw
behulffen wollen seynn mit zcehenn
Schutzenn unnd mit zcwanzcigenn
mit pantzern uff waynenn ader
gerittenn Szo wir beste mogenn einen
tag unnd eine nacht bey ynn zw
seynn uff unnszer kost beide zw scha-
denn unnd zcw frommen unsers
herrenn unnd seinen landenn, Diebe
unnd Reuber zw vorstorenn unnd
zw hindernn unnd alle die yenenn
die sie wurden wisszentlich hawsen
ader hegenn Ouch sullen die Burger
vonn Torgaw io keinenn fursten
vrihen noch dienstleuthe greiffen
ann, es enn sey mit der Stete rathe
oder vonn geheissze unnszers herren
oder seiner Ratgebenn Das diesze vor-
geschriebenn Rede nach unsers herrn
gebote stete unnd gantz werde gehalden
habenn wir dieszenn brief vorsigelt
mit unnszrm Ingesigell zw einem
Orkunde Dieszer brieff ist gegebenn
noch gottis geburth dreyzcehenhun-
dert ihar in dem vierunndvierzci-
gistenn ihare Ann dem Sontage
Szo man singet Quasimodogeniti.
Das Aufgebot hatte historischen Schriften zufolge einen glücklichen Erfolg. „Die Räuber wurden zum Theil verjaget, gefangen genommen und hingerichtet und die öffentliche Sicherheit wieder hergestellt.“(1)
Bereits einundzwanzig Jahre später wurde der ländliche Frieden erneut von Diebes- und Räuberbanden gestört, woraufhin sich Oschatz und Torgau wiederholt zusammenschlossen, um mit dem Land unter Kaiser Karl IV.2 eine Fehde gegen wegelagernde Raubritter und anderes Gesindel zu führen.
Diese am 31. März 1365 geschlossene gegenseitige Zusicherung war bisher völlig unbekannt.(3)
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(3) Stadtarchiv Torgau, Copialbuch der Stadt Torgau, U 193, S. 71 v. ff.
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Wir Ratiszleuthe unnd gantze ge-
meyne der Stadt Osschatz : Be-
kennen offintlich in dieszem offen
brieve Das wir unns mit denn
Erbarnn weyszen Ratgebenn unnd
Burgern zw Torgaw alszo underredt
unnd geeyniget habenn Das wir
ynn sullen unnd wollen behulffen
seynn mit zcehen schutzenn unnd
mit zcwanzcigen mit pantzern uff
waynen ader geritten, als wir
beste mogenn eynen tag unnd eine
nacht bey ynn zw seynn uf unnszer
kost, beyde zw schadenn unnde uff
frommen Wu ader wenne sie des
begerenn unnszern herrn Marggra-
nen unnd wes landes Diebe Roubere
unnd Thetere zw vorstohrenn unnd
zu hinderne unnd die sie wissentlich
furdernn hawsen ader hegenn Mit
sothaner unndirscheidt Das die
vorgnantenn Ratiszleuthe unnd Bur-
gere nicht ann sullen greiffenn,
Furstenn freyherrenn noch dienstleute
es were denne mit geheissze unsers
herrenn ader seiner Ratgebenn ader
mit der Stete rathe Und ouch
sullenn unns die vorbenanten Er-
barenn weyszenn Rathleute unnd
Burger zw Torgaw al der stuckenn
widder vorpflegenn als hievor ge-
schriebenn stehet Unnd darumme
das wir vorgnantenn Ratleuthe
Burger unnd gantze gemeyne dye
vorbeschriebenn sachen gantz unnd
sere haldenn wollen unnd sullen
Dis haben wir zw eynem Bekentnisse
unnd rechtem Orkunde mit gutem
willenn unnd mit vorbedachtem
eymrechtigem muthe unnser Stadt
Inngesigell gehangenn ann dieszen
offin brieff Der gegebenn ist nach
gottis gebort dreyzcehenhundert ihar
funffunndsechzcig ihar an dem
nechsten Montage vor palmenn
Inn der Osschatz.
Das Verteidigungsbedürfnis der Städte im Mittelalter wuchs stetig. Die Verteidigungsbereitschaft musste zwangsläufig geübt werden, weshalb sich die Schützen in Gilden und Gesellschaften zusammenschlossen, um ihre Schießfähigkeiten gemeinsam zu trainieren. Diese Schießübungen fanden in Oschatz bereits seit 1479 am städtischen Zwinger zwischen dem Hospitaltor und dem Strehlaischen Tor statt.
Der Rat der Stadt bestätigte, dass „dahmahls denen bürgern solches Büchßen schießen nach der Scheibe im Zwinger am Spittel Thor ist zugelaßen worden.“(4) Der Zwinger, der „über der Erde 6 bis 8 Fuß hervorraget“, verlief komplett um die Stadtmauern herum, versehen mit einigen Rondellen und halbrunden Türmen. Als Übungsort finden eine „Zielstatt“, ein „Schützenufer“ und eine „Schießwand“ Erwähnung.(5)
Befasst man sich mit der Geschichte der Oschatzer Scheibenschützengesellschaft, muss man feststellen, dass sich ein genaues Gründungsdatum nicht belegen lässt. Deshalb beruft man sich seit über vier Jahrhunderten auf den 28. September 1537 als Terminus post quem, dem Zeitpunkt, ab dem sie mit Sicherheit bestand. An diesem Tag erfolgte nachweislich der erste Auszug auf den Schießstand an der Viehweide an der Döllnitz.
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(4) Staatsarchiv Dresden, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 9898/19, fol. 5.
(5) Hoffmann, Historische Beschreibung, S. 159 f.
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Die Schützengesellschaften standen seit jeher in hohem Ansehen, denn sie sorgten für den Schutz ihrer Mitbürger, ihre Existenz war für eine Stadt überlebenswichtig. Sinn und Zweck der Zusammenkünfte der Schützen bestand darin, neben dem Üben des Schießens, Vertrautheit zu stiften und gesellschaftlich zusammen zu kommen. Damit konnte die Schutzfähigkeit bei feindlichen Einfällen und Befehdungen deutlich erhöht werden.
Ursprünglich war lediglich der hohe und niedere Adel als zum Kriege fähig befunden, jedoch musste dies vor allem in Notzeiten, hauptsächlich dem 15. Jahrhundert, revidiert werden. Folglich hatte für den Ernstfall eine ordentliche Bereitschaft vorhanden zu sein, weshalb sich reichsweit Schützenvereinigungen in den Städten bildeten. Diese bestanden aus angesehenen und geschickten Bürgern.
In späterer Zeit wurden sie durch die Landmiliz abgelöst, welche aber auf Grund der wesentlich geringeren Anzahl an Exerzierübungen schlechter in ihrer Genauigkeit war als geübte Schützen.
Ein Blick auf Oschatz bestätigt, Schützenfeste mit Vergleichsschießen und anderen Gemeinschaftsbelustigungen motivierten die Bürger zum Schießen. 1551 wird in den Kämmereirechnungen ausdrücklich ein Schießhaus im Zwinger erwähnt, lokalisiert als Schützengraben, Armbrustschützengraben, Schießhof oder Schießgraben.
Der „Plan der Stadt Oschatz“, 1785 mit Stand anno 1780 gezeichnet ist der älteste ermittelbare Stadtplan. Er zeigt die Wehrmauern um die Stadt, den sog. Zwinger, einschließlich der darin befindlichen Rondelle und Tore. Für die Schützen das Strehlaische Tor ("S") und das Hospitaltor ("H") am wesentlichsten, da ihnen die Exerzierübungen dort zugesichert wurden.
Weiterhin bedeutend ist die Erfassung der Viehweide samt Schießhaus mit der Wiedergabe der Vogelstange.
Der ursprüngliche Verlauf der Döllnitz („Tölnitz Flüsgen“) durch Oschatz und die Viehweide vor der Flusslaufbegradigung zur Jahrhundertwende 1899/1900 ist ebenfalls sehr gut nachvollziehbar.